Instantie: Hof van Justitie EG, 14 december 1993

Instantie

Hof van Justitie EG

Samenvatting


Artikel 119 EEG-verdrag verzet zich ertegen dat een mannelijke werknemer
op latere leeftijd dan een vrouwelijke werknemer die in dezelfde situatie
verkeert aanspraak kan maken op een bedrijfspensioen omdat voor mannelijke
en vrouwelijke werknemers verschillende pensioenleeftijden zijn
vastgesteld. Alleen voor uitkeringen die verschuldigd zijn voor tijdvakken
van tewerkstelling na 17 mei 1990 (Barber-arrest) kan een beroep worden
gedaan op de rechtstreekse werking van artikel 119 EEG-verdrag.
EG-richtlijn 86/378 staat de rechtstreekse werking van artikel 119
EEG-verdrag niet in de weg.

Volledige tekst

(…) Zur ersten Frage

9. Mit seiner ersten Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob es
gegen Artikel 119 EWG-Vertrag verstosst, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen
eines erganzenden betrieblichen Versorgungssystems aufgrund der
Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters erst
in einem hoheren Alter als eine Arbeitnehmerin in der gleichen Lage
Anspruch auf eine Betriebsrente hat.

10. Der Gerichtshof hat bereits im Urteil Barber (Randnr. 32) entschieden,
dass Artikel 119 jede das Entgelt betreffende Ungleichbehandlung von
Mannern und Frauen ohne Rucksicht darauf verbietet, woraus sich diese
Ungleichbehandlung ergibt, und dass insbesondere die Festsetzung je nach
Geslecht unterschiedlicher Rentenalter fur die Zahlung von Renten im
Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen
betrieblichen Systems gegen Artikel 119 verstosst, selbst wenn dieser
Unterschied im Rentenalter von Mannern und Frauen der insoweit fur das
nationale gesetzliche System geltenden Regelung entspricht.

11. Zu diesem Ergebnis ist der Gerichtshof nach der im selben Urteil
getroffenen Feststellung gelangt, dass die Betriebsrenten unter den
Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 Absatz 1 fallen, der nach
standiger Rechtsprechung alle gegenwartigen oder kunftigen in bar oder in
Sachleistungen gewahrten Vergutungen umfasst, vorausgesetzt, dass sie der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des
Dienstverhaltnisses gewahrt, wobei der Umstand, dass bestimmte Leistungen
nach Beendigung des Beschaftigungsverhaltnisses gewahrt werden, nicht
ausschliesst, dass sie den Charakter eines Entgelts im Sinne von Artikel
119 EWG-Vertrag haben (vgl. insbesondere Randnr. 12).

12. Es ist richtig, dass es in dem Urteil Barber zugrunde liegenden
Sachverhalt, wie das vorlegende Gericht bemerkt, um ein an die Stelle des
gesetzlichen Systems getretenes betriebliches Rentensystem
(`contracted-out’) nach britischem Recht und nicht um ein erganzendes
betriebliches Rentensystem wie das im Ausgangsrechtsstreit fragliche ging.

13. Der Gerichtshof hat jedoch seine Entscheidung, dass die auf der
Grundlage von Systemen dieser Art gezahlten Renten in den
Anwendungsbereich von Artikel 119 fallen, auf dieselben Kriterien
gestutzt, die er auch in der fruheren Rechtsprechung zur Unterscheidung
zwischen gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit und betrieblichen
Versorgungssystemen herangezogen hat.

14. Im Urteil vom 25. Mai 1971 in der Rechtssache 80/70 (Defrenne, Sig.
1971, 445, Randnrn. 7 und 8) hat der Gerichtshof festgestellt, dass
unmittelbar durch Gesetz geregelte, keinerlei vertragliche Vereinbarungen
innerhalb des Unternehmens oder in dem betroffenes Gewerbezweig zulassende
Sozialversicherungssysteme oder -leistungen wie etwa Altersrenten, die
zwingend fur allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gelten,
nicht in den Entgeltbegriff im Sinne dieses Artikels einbezogen werden
konnen. Denn diese Regelungen sichern den Arbeitnehmern Anspruche aus
gesetzlichen Systemen, an deren Finanziering Arbeitnehmer, Arbeitgeber und
gegebenenfalls die offentliche Hand in inem mass beteiligt sind, das
weniger vom Dienstverhaltnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als von
sozialpolitische Erwagungen abhangt.

15. Im Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 (Bilka, Slg.
1986, 1607), das ebenfalls ein deutsches betriebliches System betraf, hat
der Gerichtshof festgestellt, dass dieses System zwar entsprechend den vom
nationale Gesetzgeber erlassenen Bestimmungen ausgestattet wurde,
gleichwohl aber auf einer Vereinbarung gesetzliche System der sozialen
Sicherheit erganzt und keinerlei Finanzierung durch die offentliche Hand
geniesst. Eind System mit diesen Merkmalen fallt daher in den
Anwendungsbereich des Artikels 119 EWG-Vertrag.

16. Im Urteil Barber wurde ausserdem erstmals die Frage behandelt, wie
eine auf der Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen
Rentenalters beruhende Ungleichbehandlung nach Artikel 119 zu beurteilen
ist. Es steht jedoch fest, dass eine solche Unterscheidung keine
Besonderheit der an die Stelle eines gesetzlichen Systems getretenen
betrieblichen Systeme ist; sie findet sich ganz im Gegenteil auch bei den
anderen Arten betrieblicher Systeme und hat die gleichen diskriminierenden
Wirkungen.

17. Folglich durfen die im Urteil Barber ausgesprochenen Grundsatze nicht
so verstanden werden, als beschranke sich ihre Tragweite auf die an die
Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systeme; sie
betreffen vielmehr auch die erganzenden Systeme der im
Ausgangsrechtsstreit fraglichen Art.

18. Die deutsche Regierung macht geltend, dass ein mannlicher Arbeitnehmer
nach dem in Deutschland geltenden gesetzlichem Alterssicherungssystem mit
Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf vorgezogene Zahlung seiner
gesetzlichen Altersrente erheben konne. In diesem Fall habe er nach dem
BotrAVG zugleich auch Anspruch auf Zahlung seiner Betriebsrente. Diese
Bestimmungen machten die enge und unmittelbare Verzahnung des gesetzlichen
und des betrieblichen Systems deutlich.

19. Dem is nicht zu folgen. Zum einen kann namlich die in einer nationale
Bestimmung vorgesehene Verpflichtung, die Betriebsrente gleichzeitig mit
der gesetzlichen Altersrente zu zahlen, nicht den Ausschluss des
betrieblichen Systems vom Anwendungsbereich des Artikels 119 EWG-Vertrag
zur Folge haben. Zum anderen is festzustellen, dass die angefuhrte
nationale Bestimmung keine Auswirkung auf den diskriminierenden Charakter
der streitigen Kurzung hat, der sich allein aus den auf Vereinbarung
beruhenden Bestimmungen des fraglichen betrieblichen Systems uber die
Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters
ergibt.

20. Daher is auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass es, wie sich
aus dem Urteil Barber ergibt, gegen Artikel 119 EWG-Vertrag verstosst,
wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen eines erganzenden betrieblichen
Versorgungssystems aufgrund der Festsetzung eines je nach Geschlecht
unterschiedlichen Rentenalters erst in einem hoheren Alter als eine
Arbeitnehmerin in der gleichen Lage Anspruch auf eine Betriebsrente hat.

Zur zweiten Frage

21. Mit seiner zweiten Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob
Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 86/378 nicht verhindert, dass die
Rechtsfolgen der Unvereinbarkeit der Festsetzung eines je nach Geschlecht
unterschiedlichen Rentenalters fur die Zahlung von Betriebsrenten mit
Artikel 119 EWG-Vertrag vor dem 1. Januar 1993 gezogen werden, bis zu dem
die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 86/378 die notwendigen Massnahmen
getroffen haben mussen, um der Richtlinie nachzukommen.

22. Mit dieser Frage wird im Kern das Problem des Verhaltnisses zwischen
Artikel 119 und der Richtlinie 86/378 afgeworfen.

23. Insoweit genugt der Hinweis, dass Artikel 119 nach standiger
Rechtsprechung unmittelbar auf jede Art von Diskriminierung anwendbar ist,
die sich schon anhand der dort verwendeten Kriterien `gleiche Arbeit’ und
`gleiches Entgelt’ allein feststellen lasst, ohne dass gemeinschaftliche
oder nationale Massnahmen zur Bestimmung dieser Kriterien fur deren
Anwendung erforderlich waren (vgl. insbesondere Urteil Barber, Randnr.
37).

24. Da sich anhand der Bestandteile des in Rede stehenden Entgelts und der
in Artikel 119 aufgestellten Kriterien unmittelbar feststellen lasst, dass
sich aus der Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen
Rentenalters fur Betriebsrenten eine Diskriminierung ergibt, kommt es auf
die Wirkungen der Richtlinie 86/378 nicht an. Denn deren Bestimmungen
konnen die Tragweite von Artikel 119 keinesfalls beschranken.

25. Daraus ergibt sich, dass der Arbeitnehmer, der durch die Festsetzung
eines je nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters diskriminiert
wird, grundsatzlich, vorbehaltlich der Antwort auf die drite Vorlagefrage,
Anspruch auf Zahlung der Betriebsrente im gleichen Alter wie eine
Arbeitnehmerin in der gleichen Lage erheben kan und dass eine Kurzung im
Fall vorzeitigen Ausscheidens aus dem Unternehmen nach Massgabe dieses
Alter zu berechnen ist.

26. Daher ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die
Richtlinie 86/378 vorbehaltlich der Antwort auf die dritte Vorlagefrage
der unmittelbaren und sofortigen Geltendmachung von Artikel 119
EWG-Vertrag vor den staatlichen Gerichten nicht entgegensteht.

Zur dritten Frage

27. Mit der dritten Frage wird der Gerichtshof ersucht, sich zur genauen
Tragweite der zeitlichen Beschrankung der Wirkungen des Urteils Barber zu
aussern.

28. Wie der Gerichtshof bereits im Urteil vom 6. Oktober 1993 in der
Rechtssache C 109/91 (Ten Oever, noch nicht in der amtlichen Sammlung
veroffentlicht) festgestellt hat, genugt insoweit der Hinweis, dass diese
Beschrankung im konkreten Kontext von Leistungen (insbesondere Renten)
ausgesprochen wurde, die im Rahmen betrieblicher Systeme vorgesehen sind
und die als Entgelt im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag qualifiziert
wurden.

29. Diese Entscheidung trug der Besonderheit dieser Form des Entgelts
Rechnung, die in einer zeitlichen Trennung zwischen der Entstehung des
Rentenanspruchs, zu der es nach und nach im Laufe des Arbeitslebens eines
Arbeitnehmers kommt, und der tatsachlichen Gewahrung der Leistung, die dem
gegenuber bis zur Erreichung eines bestimmten Alters hinausgeschoben ist,
besteht.

30. Der Gerichtshof hat ebenfalls die Merkmale der finanziellen
Mechanismen der betrieblichen Renten und damit die rechnerischen
Beziehungen berucksichtigt, die in jedem Einzelfall zwischen den
regelmassigen Beitragen und den in der Zukunft zu zahlenden Betragen
bestehen.

31. Auch angesichts der Grunde, die die zeitliche Beschrankung der
Wirkungen des Urteils Barber gerechtfertigt haben, und die in Randnummer
44 dieses Urteils dargelegt sind, ist darauf hinzuweisen, dass die
Gleichbehandlung auf dem Gebiet der betrieblichen Renten nur fur
Leistungen geltend gemacht werden kann, die fur Beschaftigungszeiten nach
dem 17. Mai 1990, dem Tag des Erlasses dieses Urteils, geschuldet werden,
vorbehaltlich der Ausnahme, die fur Arbeitnehmer oder deren
anspruchsberechtigte Angehorige vorgesehen ist, die vor diesem Zeitpunkt
nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen
entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben.

32. Zu dem in der dritten Frage unter Buchstage d angesprochenen Fall ist
daran zu erinnern, dass allein der Gerichtshof ausnahmsweise die
Moglichkeit fur die Betroffenen beschranken kann, sich auf die Auslegung
zu berufen, die er einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts im Wege der
Vorabentscheidung gegeben hat.

33. Auf die dritte Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass gemass dem
Urteil Barber die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag zur
Stutzung der Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der
betrieblichen Renten nur fur Leistungen geltend gemacht werden kann, die
fur Beschaftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 geschuldet werden,
vorbehaltlich der Ausnahme, die fur Arbeitnehmer oder deren
anspruchsberechtigte Angehorige vorgesehen ist, die vor diesem Zeitpunkt
nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen
entsprechenden Rechtbehelf eingelegt haben. (…) Aus diesen Grunden had
der Gerichtshof auf die ihm vom Arbeitsgericht Bonn mit Beschluss vom 14.
Februar 1991 vorgelegten Fragen fur Recht erkannt:

1) Wie sich aus dem Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88
(Barber) ergibt, verstosst es gegen Artikel 119 EWG-Vertrag, wenn ein
Arbeitnehmer im Rahmen eines erganzenden betrieblichen Versorgungssystems
aufgrund der Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen
Rentenalters erst in einem hoheren Alter als eine Arbeitnehmerin in der
gleichen Lage Anspruch auf eine Betriebsrente hat.

2) Die Richtlinie 86/378 des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung
des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mannern und Frauen bei den
betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit steht vorbehaltlich der
Antwort auf die dritte Vorlagefrage der unmittelbaren und sofortigen
Geltendmachung von Artikel 119 EWG-Vertrag vor den staatlichen Gerichten
nicht entgegen.

3) Gemass dem Urteil von 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber)
kann die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag zur Stutzung der
Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der betrieblichen Renten
nur fur Leistungen geltend gemacht werden, die fur Beschaftigungszeiten
nach dem 17. Mai 1990 geschuldet werden, vorbehaltlich der Ausnahme, die
fur Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehorige vorgesehen
ist, die vor diesen Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht
Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben.

Rechters

Mrs. Due, President, Mancini, Moitinho de Almeida, Diez de Velasco,Edward, Kakouris, Joliet, Schockweiler, Rodriguez Iglesias, Grevisse,Zuleeg, Kapteyn, Murrey